HIDDENSEE BRAUCHT ZUKUNFT
Offener Brief des Kunstvereins Hiddensee e.V.

Auf seiner kürzlich stattgefundenen Jahresversammlung hat sich der Kunstverein Hiddensee e. V.
mit Fragen und Problemen rund um die Bewahrung des ursprünglichen Charakters der Insel
Hiddensee beschäftigt. Die Mitglieder des Vereins sind sich darüber einig, dass aktuelle
Entwicklungen auf Hiddensee der historischen Verantwortung gegenüber der Insel der Dichter, Maler
und Fischer, der Wahrung einheimischer Tradition, sowie ihrem Charakter als Erholungsstätte und
als Schaffensraum für Künstlerinnen und Künstler entgegenwirken.

Sie befürchten, dass das 1998 vom Inselparlament beschlossene Leitbild einer Natur- und
Künstlerinsel für die Entscheidungsträger nicht mehr relevant ist. Immer mehr drängt sich der
Eindruck auf, dass der Weg des nachhaltigen Tourismus verlassen und dem Diktat des schnellen
Geldes geopfert wurde. Beruhte das Alleinstellungsmerkmal der Insel bisher auf dem Fehlen einer
sich mondän und laut aufdrängenden Tourismus-Infrastruktur, so droht sie jetzt zu einem xbeliebigen
Urlaubsort zu werden.

Für Hiddensee liegt der kulturelle und künstlerische Ursprung in seiner vielfältigen Naturausstattung,
in seiner einmaligen Landschaft, in seiner Stille fern ab von Stadtlärm und Verkehr. Aus diesem
Grund kamen und kommen Urlauber hierher, aber auch Künstler, die hier die ersehnte Ruhe als eine
Voraussetzung ihres Schaffens finden.

Mit Sorge sehen die Mitglieder des Kunstvereins nun, dass diese Lebensader zu versiegen droht.
Ursprünglichkeit unterliegt finanziellen Interessen. Ruhe und Nachhaltigkeit weichen schnellem
Konsum. Die Gefahr des Overtourismus ist nicht mehr zu übersehen. Schon jetzt bringen die
Massen vor allem von Tagesausflüglern, die in den Sommermonaten die Insel überfluten, die
vorhandene Infrastruktur an ihre Grenzen.

Dennoch wird weiter in dieser Richtung geplant. Eine überdimensionierte Hafenerweiterung,
offensichtlich gesteuert vom Streben nach Subventionsmaximierung, wird dazu beitragen, noch mehr
Menschen in Spitzenzeiten auf die Insel zu bringen. Die touristische Belebung der Nebensaison
und somit eine Verbesserung der Auslastung vorhandener Unterkünfte bleibt auf der Strecke. Eine
Modernisierung, die den Menschen UND der Natur nützt, kommt nicht voran. Der Pflege der
Ortsbilder – hier scheint man sich mit dem Notwendigsten zu begnügen – wird nur wenig Beachtung
geschenkt. Stattdessen dominiert eine eintönige Bauweise, die einer halbherzigen und uninspirierten
Gestaltungssatzung geschuldet ist. Mit der inhaltlichen Tiefe und der Komplexität zukünftiger
Aufgaben wirken die Gremien überfordert, wie nicht zuletzt das Hafenprojekt in Vitte zeigt.

STIEFKINDER KUNST UND KULTUR
Weder bezahlbarer Wohnraum noch eine gut ausgestattete Schule stehen im Fokus der
Kommunalpolitik. Besonders betroffen aber ist der im Leitbild von 1998 beschworene
„Schaffensraum für Künstler aller Richtungen“. Gefällt sich das Kulturangebot der Gemeinde in
einseitiger Ausrichtung auf phantasie- und lieblos ausgestattete Veranstaltungen, die – ohne
Rücksicht zu nehmen auf das Ruhebedürfnis von Anwohnern und Gästen – einen angeblichen
Massengeschmack bedienen, so werden Kunstschaffende auf der Suche nach Arbeits- und
Ausstellungsmöglichkeiten allein gelassen. Zweifellos sind Kunst und Kultur auch nachhaltige
Wirtschaftsfaktoren. Doch es fehlt hier das Bewusstsein, dass sie dabei der kommunalen
Unterstützung, Förderung und Weiterentwicklung bedürfen.

EINE ALTERNATIVE IST GEFRAGT
Der Kunstverein Hiddensee e.V. setzt sich dafür ein, dass das einst formulierte Leitbild der Insel
fortentwickelt wird. Die darin formulierten Grundsätze von „Ursprünglichkeit“, „landschaftlicher
und natürlicher Vielfalt“, sowie „historischer Verantwortung“ müssen im Kontext heutiger
Gegebenheiten überdacht, mit neuem Leben erfüllt und in eine tragfähige Zukunft überführt werden.
Dabei müssen insbesondere infrastrukturelle Erweiterungen jeglicher Art Gegenstand eines
öffentlichen Diskurses werden, der unter den Aspekten der Nachhaltigkeit geführt wird. Leitfaden
sollte hierbei auch die Besinnung auf das Erbe einer Künstlerkolonie von europäischem Rang
sein. Die Gemeinde Seebad Insel Hiddensee muss sich wieder zu ihrer Mitgliedschaft bei euroArt,
dem Netzwerk der europäischen Künstlerkolonien bekennen.
Der Kunstverein Hiddensee lädt alle Interessierten zum Dialog über die Zukunft der Insel ein. Nur
im Einvernehmen aller kann die Insel neu gedacht und der Diskurs mit der notwendigen Sensibilität
geführt werden. Gemeinsam soll Verantwortung für die Insel Hiddensee übernommen werden, damit
sie dem Ruf, den sie immer noch hat, auch gerecht wird.

Hiddensee im Oktober 2021

Kunstverein Hiddensee e. V., Zum Hochland 7, 18565 Kloster, Insel Hiddensee
info@kunstverein-hiddensee.de  www.kunstverein-hiddensee.de

HILFEAUFRUF

Hiddenseer Künstler in Not

 

Von den Einschränkungen der Öffentlichkeit im Zuge der Corona-Krise ist gegenwärtig auch und ganz besonders das künstlerische und kulturelle Leben auf der Insel Hiddensee betroffen. Veranstaltungen können nicht stattfinden, Ausstellungen und Galerien fehlen die Besucher, der Verkauf von Kunst droht zum Erliegen zu kommen. Auch mussten geplante Führungen und Lesungen abgesagt werden, was für die Veranstalter gerade in diesen sonst so besucherstarken Monaten ein besonders schmerzlicher Verlust ist.

Damit entgeht den Künstler*innen und Kulturschaffenden ein Großteil ihres Einkommens. Denn sie leben von den Einnahmen bei Veranstaltungen, Lesungen und Führungen, sowie dem Verkauf ihrer Werke. Diese Möglichkeit ist ihnen nun bis auf weiteres genommen. Und auch wenn sich die Insel wieder für Besucher öffnet – den Zustrom wie in den vergangenen Jahren wird es diesmal mit Sicherheit nicht geben.

Um die Betroffenen in dieser schwierigen, ja existenzbedrohenden Lage zu unterstützen, sind hier einige Adressen zusammengestellt, an die man sich wenden kann, um die Möglichkeit einer Unterstützung zu erkunden. Ob man spenden oder (online) kaufen, Gutscheine erwerben oder sich zunächst nur mal Informationen verschaffen will – wer auch immer helfen will, sollte das tun.

Hiddensee soll die Künstlerinsel bleiben, die sie immer schon war.

Susanne Schwarz, Fotografie:  http://neuentwurf.schwarzfotografie.de

Ulrike Northing, Malerei:   https://www.ulrike-northing.de

Ute Laux, Malerei:    https://www.utelaux.de

Jo Harbort, Bildhauer: http://joharbort.com

Torsten Schlüter, Malerei:  https://www.torsten-schlueter.de      

Marion Magas, Führungen und Bücher:   http://hiddenseekultur.de

Ute Fritsch, Führungen, Bücher, Druckerzeugnisse: https://www.kuenstlerinsel-hiddensee.de

Seebühne Hiddensee: http://theater.hiddenseebuehne.de

Gerhart-Hauptmann-Haus: https://www.hauptmannhaus.de

Eggert-Gustavs-Museum: https://www.eggert-gustavs.de

Homunkulus Figurensammlung: http://www.homunkulus.de

Ergänzungen sind willkommen und können unter info@kunstverein-hiddensee.de angemeldet werden.

Hiddensee, im April 2020

Kunstverein Hiddensee e. V.,
Zum Hochland 7,
18565 Kloster, Seebad Insel Hiddensee

PRESSEMITTEILUNG DES KUNSTVEREINS HIDDENSEE E.V.

Kunst braucht Unterstützung

 

Am 21. und 22. September 2019 fand auf der Insel Hiddensee das 7. Äquinoktium des Kunstvereins Hiddensee e. V. statt. Den hundertsten Jahrestag der Gründung des „Hiddensoer Künstlerinnenbundes“ nahm der Verein zum Anlass, zu mehreren Vorträgen und einer Gesprächsrunde einzuladen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage aufgeworfen, wie es heute um die Künstlerinsel Hiddensee, sowie andere Künstlerkolonien des Ostseeraumes wie Schwaan und Ahrenshoop bestellt ist.

Übereinstimmend wurde festgestellt, dass hier eine große Diskrepanz herrscht: einerseits der Ruf der jeweiligen Kolonie als Tourismusmagnet, andererseits die Lebens- und Arbeitsbedingungen, denen die Kunstschaffenden hier ausgesetzt sind. Es fehlt an bezahlbaren Wohn- und Arbeitsräumen, behördliches Engagement ist rar oder bleibt ganz aus und muss durch privates Sponsoring ersetzt werden, welches auch nicht per se gewährleistet ist.

Allgemein – mit großer Besorgnis zu beobachten auf Hiddensee – scheint an den maßgeblichen Stellen das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass Kunst kein simpler Wirtschaftsfaktor ist, der Einnahmen generiert; dass sie auf Unterstützung und Förderung angewiesen ist und dass es mehr bedarf als der Hervorhebung glorreicher Vergangenheiten, um eine lebendige Kunst- und Kulturszene am Leben zu erhalten, die Besucher anzieht und so auf ihre Weise dem Tourismus dient. Deutlich wird dies gerade wieder angesichts der Zuwendungen von Land und Gemeinde für das in seinen kulturellen Darbietungen doch sehr einseitige Landeserntedankfest Mecklenburg-Vorpommern 2019 auf Hiddensee. Da müssen sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, ob so eine ausgewogene Kulturförderung aussieht.

Um die Kunst- und Kulturszene unserer Region am Leben zu erhalten, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, müssen das Land M-V und die Kommunen beweisen, dass sie bereit sind, auch in dieser Hinsicht eine aktiv unterstützende Politik zu betreiben und deren Steuerungsprinzipien offenzulegen. Im Verborgenen schlummernde Möglichkeiten genügen nicht, sie müssen konkret angewandt werden. Tourismuswerbung wird unglaubwürdig, wenn sie nur an vergangene Zeiten erinnert und nicht auch die Gegenwart lebender Künstlerinnen und Künstler einbezieht.

Künstlerinnen und Künstler brauchen Klarheit darüber, dass man willens und in der Lage ist, sie in ihrem oft schwierigen Existenzkampf nicht alleine zu lassen. Profitieren davon können alle: Bewohner, Gemeindeverantwortliche, Besucher, das Land.

Hiddensee, im September 2019
Kunstverein Hiddensee e. V.,
Zum Hochland 7,
18565 Kloster, Seebad Insel Hiddensee